Freitag, 10. März 2023

Franz Janowitz: Verwandlungen

 



Verwandlungen

Ich bin nicht Land, ich bin nicht Fluß,
nicht kühlen Regens milder Guß,
nicht Blumenbrand, nicht Baumesgrün,
nicht Morgenlicht, nicht Abendglühn,
nicht grüner Hügel Schwellen.
Und doch genügt ein helles Schauen:
Ich bin verwandelt, ohne Grauen,
bin Baum und Blume, Flur und Feld,
bin Wind, der sanft die Büsche schwellt,
und bin des Baches Wellen.
So treibt mein Geist geheimes Spiel.
Was innig schon dem Kind gefiel:
An stummer Brüder trauter Brust
genießt er fremden Daseins Lust
in wandelndem Verlieren.
Er schauert bei des Abends Ruh',
schließt mit dem Wald die Augen zu,
und tanzt, wenn weiß die Nacht zerbricht,
ein Übermaß von Glück und Licht
in grünenden Revieren.

Aus: Arkadia, Jahrbuch für Dichtkunst, Kurt Wolff, Berlin 1913

Franz Janowitz wurde am 28. Juli 1892 in Podiebrad geboren, am 4. November 1917 starb er nach einer Schussverletzung im Feldspital in Unter-Breth

16 seiner Gedichte wählte Max Brod für sein Jahrbuch Arkadia aus, das im Kurt Wolff Verlag herauskam.

Zwei Jahre nach seinem Tode gab Karl Kraus im Kurt Wolff Verlag aus seinem Nachlass einen schmalen Band seiner Lyrik unter dem Titel „Auf der Erde“ heraus.

Das Bild ist von Harald Sohlberg (1869 - 1935)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen