Erinnerung
Aus den Nebeln meiner Kinderzeiten
Tauchen Bilder, sieben oder acht.
Primitive Nebensächlichkeiten,
Wie aus bunten Marzipan gemacht.
Auf dem Weg zur Schule eine Lacke:
Runde schwarze Käfer schwimmen drin,
Die ich gierig mit den Fingern packe,
Während ich von Ehrgeiz trunken bin.
Oder: Pferdestall. Ein fetter Schimmel
Dreht den Kopf nach mir mit träger Müh`,
Glotzt mit einem frommen Blick gen Himmel,
Seufzt und sagt, ja, sagt ganz deutlich: Püh!
Eine Lichtung. Voll von Brombeerbüschen.
Ich und Gretl. Alles duftet naß.
Gretl will ein Zweiglein wo erwischen,
Stolpert, kollert und ich sehe was.
Erste Angst: Ein Gänserich, ein großer,
Rennt mir nach und zischt. Ich lauf und lauf. . .
Tret´ auf ein zerbroch´nes Glas mit bloßer
Sohle, blute, schreie, heule, schnauf´. . .
Erste Liebe: Zehn und dreizehn Jahre.
Hedwig geht tief in den Wald mit mir.
Gold´ne Sonne spielt im gold´nen Haare.
Sitzen stumm im Moos. Dann weinen wir.
Kinderaugen schauen aus den Weiten
Und es tauchen aus der braunen Nacht
Primitive Nebensächlichkeiten
Wie aus bunten Marzipan gemacht. . .
Fritz Löhner-Beda, am 24 Juni 1883 als Fritz Löwy in Wildenschwert geboren. Er studiert Jura und promoviert 1905 an der Universität Wien zum Dr. jur. Vor dem Ersten Weltkrieg schreibt er Satiren, 1920 erscheint der Lyrikband „Ecce ego“. Als Librettist von Franz Lehárs Operette "Land des Lächelns" erlangt er 1928 Weltruhm.
Ende März 1938, nach dem Einmarsch der Deutschen in Österreich, wird er sofort verhaftet und am 1. April mit dem sogenannten "Prominententransport", dem ersten Transport von Österreichern, ins KZ Dachau eingeliefert. Im September 1938 wird er nach Buchenwald überstellt, arbeitet in der Strumpfstopferei und ab September 1939 im Gärtnerei-Kommando. Vergeblich hofft er, Franz Lehár werde sich für seine Freilassung einsetzen. Im Lager beteiligt er sich an Kleinkunst-Aufführungen für Mithäftlinge. 1938 dichtet er den Text des "Buchenwald-Liedes", den Hermann Leopoldi vertont. Im Oktober 1942 wird Fritz Löhner-Beda in das KZ Auschwitz-Monowitz deportiert. Beim Morgenappell wird er durch Schläge eines SS-Mannes so schwer verletzt, daß er am 4. Dezember 1942 stirbt.
Erinnerung, aus: Ecce ego! Lieder und Gedichte von Beda, R. Löwit Verlag, Wien und Berlin 1920
Das Bild ist von Theodor Kittelsen (1857 - 1914)
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