Mittwoch, 29. März 2023

Susanne Kerckhoff: Vor deiner Tür / Nächtliche Fahrt / Volkslied

 



Vor deiner Tür

Ich bin ein Halm am Wege dir,
Auf deinem Pfad ein Stein
Und bin ein Lied vor deiner Tür
Und bin zu jeder Zeit bei dir
Und will nicht anders sein.

Und du wirst immer weiter ziehn,
Für mich hältst du nicht an.
Ich seh dein Bild im Morgen blühn,
Dein Sehnen wie den Mond dort glühn
Und hab nicht teil daran.

Es welkt der Halm vom Wege dir,
Ein Regen höhlt den Stein.
Das Lied verstummt vor deiner Tür,
Es lebt von dir und stirbt an dir
Und singt es dir und singt es mir:
Es will nicht anders sein.


Nächtliche Fahrt

Schreiten die Wolken, jagen die Kiefern dahin,
stürzt mir das Jahr, daß ich näher den Toten bin.

Will ich zu dir, weiß, du bleibst immer mir nicht,
wollt' ich, mein Herz fasste in Stein dein Gesicht,

hielt' deine Hand, hielt' deine Augen so warm,
wie jetzt der Mond nimmt diesen Wald in den Arm.

Fliehender Wald, zittern die Wurzeln im Grund.
Kann nichts mehr sehn, fließt es mir salzig zum Mund.

Klage der raubenden Zeit! Raubt mir ja beinah' den Sinn,
weil ich, vergehend an ihr, tief im Lebendigen bin.


Volkslied

War es im Walde,
waren die Wege verschneit,
gingen die Kinder,
gingen im Walde zu weit.

Über die Heide
sangen sie, lachten sie gern,
hörten vom Berge
Stimmchen wie Silber so fern.

Schön sind die Tannen,
duftig das funkelnde Eis.
Furcht auf den Wangen
glüht wie ein Öfchen so heiß.

Daß ich dich liebe –
bin wie die Kinder im Wald.
Sie sind erfroren.
Folg ihnen bald.

(1950)


Susanne Kerckhoff, geboren als Susanne Harich (* 5. Februar 1918 in Berlin; † 15. März 1950 ebenda), Schriftstellerin, Journalistin und Lyrikerin. Sie wuchs bürgerlich-liberal in Berlin auf. Es gab Begegnungen und Briefwechsel mit Carl Sternheim, Carl Schmitt, Erich Kästner, Klabund, Kurt Hiller, Gottfried Benn. Als Schülerin schloss sie sich der allerdings 1933 verbotenen Sozialistischen Arbeiterjugend an. Ab 1935 veröffentlichte sie und wurde 1937 in die Reichsschrifttumskammer aufgenommen.

Im Alter von 19 Jahren heiratete sie 1937 den Buchhändler Hermann Kerckhoff. Ihre Kinder wurden 1937 (Hermann), 1938 (Dina) und 1945 (Christian) geboren. Von 1941 bis 1943 studierte sie Philosophie an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin.

Im Mai 1945 wurde die Kerckhoffsche Buchhandlung am Alexanderplatz in Berlin zerstört. Kerckhoff erlebte das Kriegsende mit ihren Kindern im Emsland, wo sie als Dolmetscherin arbeitete und Mitglied der SPD wurde. Ein Jahr später trennte sie sich von ihrem Ehemann und den Kindern und zog nach Ost-Berlin. 1947 erfolgte die Scheidung von Hermann Kerckhoff, ihr Mann erhielt 1949 das Sorgerecht für die Kinder.

Vom 4. bis 10. Oktober 1947 nahm Kerckhoff am Ersten Deutschen Schriftstellerkongress in Berlin (West und Ost) teil. Ebenfalls ab 1947 arbeitete sie für den Ulenspiegel, eine amerikanisch-lizenzierte Zeitschrift, ab 1948 als Redakteurin. 1948 wurde sie Mitglied der SED und Vorstandsmitglied des Schutzverbandes Deutscher Autoren. Ab 1949 war sie Feuilletonredakteurin der Berliner Zeitung, ab 1949 bis zu ihrem Tod die Leiterin der Kulturredaktion.

Am 15. März 1950 beging Susanne Kerckhoff in Berlin-Karolinenhof Suizid. Zuvor war ihr in SED-Rundschreiben eine „schwankende ideologische Haltung“ vorgeworfen worden. Sie wurde auf dem Berliner Waldfriedhof Grünau beigesetzt. Arnold Zweig gehörte zu denen, die sie nach ihrem Tod würdigten mit den Worten: „Aus welchen Bestandteilen mischte sich Dir der Trank, der Dir die Lust am Leben vergällte?“

(Wiki)

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