Samstag, 18. März 2023

Karl Brand: Wandlung

 



Wandlung

In Nacht und Raum –
Die Stimme dröhnt im Ohr,
Ein grauer Traum
Aus nichts trat vor,
Als Stunde, die mich hielt,
Als Schmerz und Angst gefühlt,
Ins nächtge Hirn gebrannt,
Trat all als Traum mich an.

Und der Geliebten Wort
Im Ohr als Höllentanz
Riss mich ins Ewge fort,
In raum- und stundenlosen Glanz
Der aufgepeitschten Nacht,
Der wesenlosen Einsamkeit,
In der allein das Tote wacht
Als Graus und Zeit.
Ins Tote riss der Traum mich fort,
Dass ich dem müden Leib entfiel.

Als Nichts im Raum
Verging ich leis,
Verging der Nächtetraum.
Wer weiß,
Ob ich als Mensch, als Tier,
Als schleimige Qualle
Aus Ewigkeit noch in ein Weltsein falle.

Karl Brand, der eigentlich Karl Müller hieß und 1895 in Witkowitz geboren wurde, stammt aus ärmlichen Verhältnissen und erkrankt schon früh schwer an Tuberkulose. Das Dichterpseudonym Brand wählt er sicher nicht zufällig, denn es ist ein Signum des seelischen Fiebers seiner Generation.

Seine Texte sind Werke eines Frühvollendeten, dessen Weltsicht, auch vor dem Hintergrund der unheilbaren Krankheit, unerschütterlich negativ ist. Das Ich ist vielfach nicht nur vom Zerfall bedroht, sondern dem totalen Untergang preisgegeben.

1916 greift Brand Kafkas 1915 erschienene Erzählung „Die Verwandlung“ auf, in der er seine Lebensverhältnisse dargestellt und seine düstere Zukunftsperspektive vorgebildet sieht. In der kurzen Erzählung „Die Rückverwandlung des Gregor Samsa“ unternimmt der Todgeweihte den Versuch, sich gegen das Hinschwinden zur Wehr zu setzen und sich zumindest schreibend eine Zukunft zu erhalten.

Doch die Krankheit schreitet rasch voran. Karl Brand stirbt am 17. März 1917 in Prag. Er wird nur 21 Jahre alt.

Im Oktober 2013 erschien das dreizehnte Heft der verdienstvollen Reihe VERSENSPORN, das sämtliche bisher bekannten Gedichte enthält. Daraus ist auch das Gedicht oben, die Informationen über Karl Brand sind aus dem Klappentext.

Versensporn Heft 13 Karl Brand

Das Bild ist von Arkhip Kuindzhi (1841 - 1910)

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