Frühlingsmorgen
Lächelnd, träumend, morgenduftumfangen
Ruht die Erde wie ein schlafend Kind -
Erstes Frührot färbt die zarten Wangen,
Weiche Lüfte kosen schmeichelnd lind.
Spielen flüsternd mit der Schläfrin Locken,
Drein der Lenz die ersten Kränze flicht,
Schauern ihr ein Meer von Blütenflocken
Heimlich über Schultern und Gesicht.
Leise regt sie schon die schönen Glieder,
Zögernd schließt die Nacht der Träume Thor,
Von den Bergen sinkt der Nebel nieder,
Flammend steigt im Ost die Sonn empor.
Lauter rauschen Lüfte, Bäume, Quellen -
Jubelhymnen tönt des Sturzbachs Lauf,
Und die Erde schlägt die strahlend hellen
Blütenaugen froh erschrocken auf.
Hedwig Bender, aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen, von Karl Schrattenthal, Stuttgart 1888
Hedwig Bender, geboren am 22. Februar 1854 in Luxemburg; gestorben am 13. April 1928 in Erfurt (auch Helene Bender), Philosophin Schriftstellerin und Frauenrechtlerin.
Das Bild „Frühling“ ist von Leon Wyczékowski (1852 - 1936)
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