Donnerstag, 26. Januar 2023

Benedikt Fantner: Erinnern

 


Erinnern

Es war im Wald zur Sommerzeit,
Kein Mensch zu sehen weit und breit;
Die Welt war still und doch hell laut,
Ein Finkchen rief nach seiner Braut -
Ich träumte Urweltträume.

Es war ein Tag im grünen Hag,
Wie Gott ihn nur erschaffen mag,
Wenn Früchte reifen, Leben blüht,
Der Boden dampft, die Sonne glüht
Auf Wälder, Fluren, Bäume.

Die Erde war so gut und lau
Wie eine liebvertraute Frau. . .
Ich dachte nichts, ich legte bloß
Den Kopf in ihren weichen Schoß
Und ließ vom Gras mir schmeicheln;

Halb lag ich wach und halb im Traum,
Ich war ein Vogel, war ein Baum,
Ein Grashalm schwang im Sommerwind,
Und fühlt die Haut mir warm und lind
Vom Sonnenscheine streicheln.

Benedikt Fantner, aus: Die Frau, Nr. 8, August 1933

Benedikt Fantner, geboren am 9. Juni 1893 in Wien; ermordet 1942 in der Tötungsanstalt Hartheim bei Linz, Arbeiterschriftsteller. 1921 wurde er Bankangestellter, verlor aber seine Stellung während der Weltwirtschaftskrise. Danach arbeitete er als Vertreter und Autor. 1929 und 1931 publizierte der Verleger Richard Lányi zwei Bücher von ihm. 1933 wurde er Mitglied der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller. Er schrieb unter anderem für die Arbeiter-Zeitung.

Nach dem Februar 1934 konnte er nur noch sporadisch publizieren und am 11. September 1935 erfolgte eine polizeiliche Hausdurchsuchung in seiner Wohnung. Viele Manuskripte verschwanden für immer, darunter auch jenes des eben fertiggestellten Romans „Menschen zwischen den Zeiten“. Benedikt Fantner wurde wegen Verwahrung illegaler Druckschriften mit sechs Wochen Arrest bestraft. Nach seiner Haftentlassung ging er in die Tschechoslowakei. Im November 1937 ging er nach Spanien und kämpfte in der XI. Internationalen Brigade.

Nach Ende des Spanischen Bürgerkrieges flüchtete er nach Frankreich, wo er interniert wurde. Er wurde am 13. Oktober 1940 von Frankreich aus nach Wien überstellt und kam am 22. Februar 1941 in das KZ Dachau. Trotz der Hilfe des Mithäftlings Viktor Matejka brach Benedikt Fantner bald zusammen und wurde am 19. Januar 1942 in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz gebracht, wo er ermordet wurde. (Wiki)

Foto von Benedikt Fantner: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Erkennungsdienstliche Kartei der Gestapo Wien, Oktober 1940 

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