Spruch zum Eingang:
Wirst du, Seele, endlich lernen,
nichts von außen zu erwarten!
Nächtens schau zu deinen Sternen,
tags bebaue deinen Garten.
Mit den Geistern, die gewesen,
Zwiesprach haltend stolz-bescheiden,
also magst du Trauben schneiden,
also magst du Ähren lesen.
Und der Einsamkeit entsteigen
Bilder mit beglückten Schwingen
und du hörst die Wälder geigen
und du hörst die Wasser singen.
Fern verrollen auf den Schienen
Tageslärm und Eisenrosse.
Lerne lauschen, lerne dienen,
daß dein innrer Garten sprosse.
Bäume, die in Blüte stehn
Bäume, die in Blüte stehn
und die ihrer Zweige Fülle
sich in traumverlorner Stille
tief zu Boden neigen sehn,
Wiesen, die ihr sattes Grün
über Tal und Hänge legen,
dass in immer neuem Segen
Duft und Farbe ihm entblühn,
gleichen sie den Menschen nicht,
die die Arme aufwärtsheben
und in immer neuem Geben
rings verbreiten Glück und Licht?
Menschen, die in Blüte stehn
und die ihres Wesens Fülle
sich in traumverlorner Stille
zu den andern neigen sehn.
Aus: Hilda Bergmann "Zünd Lichter an", Krystallverlag, Wien 1936
Hilda Bergmann wurde am 9. November 1878 in Prachatitz im Böhmerwald geboren. Nachdem die Familie im Jahre 1897 nach Wien umgezogen war, schloss sie dort 1898 eine Ausbildung als Volksschullehrerin ab. 1908 schied sie aus Gesundheitsgründen aus dem Schuldienst aus. Im selben Jahr heiratete sie den Witwer Alfred Kohner. Da Alfred Kohner sich als Jude nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich 1938 in Gefahr befand, wanderte die Familie nach Åstorp in Schweden aus. Dort starb sie am am 22. November 1947.
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