Donnerstag, 26. Januar 2023

Christian Friedrich Wagner: Syringen

 


Syringen

Fast überirdisch dünkt mich euer Grüßen
Syringen ihr, mit eurem Duft dem süßen.

Nach Geisterweise weiß ich euch zu werten,
Ein Duftgesang er ist mirs von Verklärten,

Gott, wie ich doch in dieser blauen Kühle
Der Blumenwolke hier mich wohlig fühle!

Süß heimlich ahnend was hineinverwoben; -
Wie fühl ich mich so frei, so stolz gehoben!

Ha, bin ichs selbst, deß einstig Erdenwesen
Nun auch einmal zu solchem Glanz genesen?

Sinds meine Lieben, die, ach längst begraben,
In diesen Düften Fühlung mit mir haben?

Christian Friedrich Wagner, geboren am 5. August 1835 in Warmbronn, Baden-Württemberg; gestorben am 15. Februar 1918 ebenda, Kleinbauer und Dichter. Aus: Gesammelte Dichtungen, herausgegeben von Otto Güntter, Verlag Strecker und Schröder, Stuttgart 1918

„... er fühlte die tiefe Zusammengehörigkeit zwischen Tier, Mensch und Pflanze, Stein und Stern. Und er liebte das alles. ... Er war dogmenlos fromm. ... Er war allerdings ein Landmann; er hat die Natur gekannt, aber das Hälmchen war ihm kein Anlaß, 'Duliöh!' zu schreien oder ein knallig angestrichenes Gemüt leuchten zu lassen. Er war ein in sich gekehrter Künstler und wohl wert, daß wir ihn alle läsen und verehrten.“ (1919)

Kurt Tucholsky

„Es wird in deutscher Sprache nicht viele Wunder von der Art der dritten und der letzten Strophe des Gedichtes 'Syringen' geben“. (1922)

Karl Kraus
„Es gibt Dichter, welche allen Bemühungen der Journalisten um ihre Berühmtheit siegreich widerstehen. So einer ist Christian Wagner. Wie viel haben wir uns um ihn bemüht, wie viel haben wir unseren Freunden von ihm erzählt, öffentlich und privatim, und wie wenig hat es genützt.“ (1919)

Hermann Hesse

Das Bild ist von Nikolay Bogdanov-Belsky (1868 - 1945) 

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