Donnerstag, 26. Januar 2023

Heinrich Zucker: Abend

 


Abend

Du schönes Schreiten, abendwindumhüllt!
Die Straßen flammen bunt, der Tag ist aus.
Die Stadt beginnt ihr Lied: Autos rufen.
Omnibusse rasseln. Straßenbahnen läuten.

Von überall ertönt Musik, Rhythmus des Seins,
Zieht alles in den wilden Takt, Mond und Sterne tanzen,

Die Häuser wiegen sich mit heller Stirn danach.
Ich habe keine Sehnsucht mehr nach schönen Dingen.

1927

Der Schriftsteller Heinrich Zucker wurde am 23. April 1910 in Berlin geboren, sein genaues Todesdatum ist unbekannt, er verstarb nach 1944, wahrscheinlich in London im Exil.

Ein Jahr nach seinem literarischen Debüt mit dem Band "Poet von heute: Gedichte" gab Zucker 1931 zusammen mit Robert Seitz die Anthologie neuer Großstadtdichtung "Um uns die Stadt" heraus, aus der auch obiges Gedicht stammt, die 1938 von den Nationalsozialisten auf deren Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums gesetzt wurde. Zu dieser Anthologie hatten bedeutende zeitgenössische Dichter, u. a. Bert Brecht, Johannes R. Becher, Lion Feuchtwanger, Max Herrmann-Neisse, Erich Kästner, Rudolf Leonhard, Erich Mühsam, Joachim Ringelnatz und Kurt Tucholsky Gedichte beigesteuert. 1944 erschien im Londoner Exil ein Band mit dem Titel "Gedichte mit Gegenwind" von ihm.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen