Donnerstag, 26. Januar 2023

Wilhelm Arent: Märchenglaube / Einsamkeit / Auferstehung

 


Märchenglaube

Lach’ nicht des Kindes Märchenglauben,
Was ist’s denn, was dein Geist erfand?
Was sind die Bibeln, die Systeme
Denn anderes als Märchentand?

Ein Jeder dichtet seinen Himmel
Wie’s ihm behagt in’s Blau hinein,
Und über einem Märchen brütend
Schläft endlich er ermüdet ein.

Einsamkeit

Einsamkeit in deiner Stille
Ueberkommt´s mich mild und weich,
Augenblicks schweigt jeder Wille,
Tret´ ich in dein Märchenreich.

Und ich träume, daß so bliebe
Dieser Zauber ohne Wort,
Und kein Ruf gebietrisch triebe
Mich von dieser Schwelle fort.

Auferstehung

Auf den weiten Auen
Sprießt das erste Grün,
In dem endlos Blauen
Schweift die Lerche hin.

Ueber allen Landen
Schwimmt viel-süßer Duft. . .
Lenz ist auferstanden
Aus des Winters Gruft.

Wilhelm Arent, aus: Aus tiefster Seele, Verlag von Georg Nauck, Berlin 1885

Wilhelm Arent, geboren am 7. März 1864 in Berlin als Wilhelm Ludwig Carl Arendt; gestorben nach 1913, Lyriker und Herausgeber einer wichtigen zeitgenössischen Anthologie des frühen Naturalismus.

Laut Albert Soergel „siechte“ Arent 1911 in Berlin „geistig gebrochen dahin.“ Hans Bethge schrieb aber ein Jahr früher, Arent sei in Berlin verstorben. Da 1913 noch ein Roman Arents unter dem Pseudonym Karl Ludwig veröffentlicht wurde, hat er in diesem Jahr wohl noch gelebt. Danach verliert sich jede Spur von ihm.

Das Bild ist von Maximilian Lenz (1860 – 1948)

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