Heimatlied
Dies ist die Heimat: jener Waldesrand,
Der dir ins Nahe rückt den Himmelskreis,
Am Wiesenabhang das bestellte Land
Und alles, was das Herz an Liebe weiss.
Dies ist die Heimat: jener Baum im Wind,
Mit Wipfeln wirr gesträubt und altersschwer,
An den dein Trieb sich anschmiegt dumpf und blind,
Als wären eines Leibes du und er.
Dies ist die Heimat: jener dunkle Bann
Von Furcht und Schwermut, der dich früh umfängt,
Das Erbteil deines Blutes und was daran
Von deinem vorbestimmten Schicksal hängt.
Dies ist die Heimat: jener stille Hang
Zur Erde, die dich trägt, zu Mensch und Tier,
Dass alles Leben wie ein Widerklang
Der eignen Brust und wie ein Stück von dir.
Aus: Hedwig Lachmann "Gesammelte Gedichte - Eigenes und Nachdichtungen", herausgegeben von Gustav Landauer, Gustav Kiepenheuer Verlag, Potsdam 1919
Hedwig Lachmann, geboren am 29. August 1865 in Stolp, Pommern; gestorben 21. Februar 1918 in Krumbach), Dichterin und Übersetzerin von unter anderem Edgar Allan Poe und Oscar Wilde. Ihrem zukünftigen Ehemann, dem Anarchisten Gustav Landauer begegnete Lachmann zum ersten Mal 1899 bei einer Lesung im Haus von Richard Dehmel. Richard Dehmels Kriegsbegeisterung beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 führte jedoch dazu, dass Lachmann ihm die Freundschaft aufkündigte.
Das Bild ist von der 2017 verstorbenen Fredelsloher Künstlerin Andrea Rausch.
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