Donnerstag, 26. Januar 2023

Walter Hasenclever: Frauen IV. / VII.

 


Frauen

IV.


Du bist gewohnt die Welt als Spiel zu sehn.
Du schöne Frau - Du kommst aus fernen Ländern,
Die ich nur ahne; Deine Glieder gehn
Im leisen Duft von seidenen Gewändern.

Wer bist Du denn? Dein Haar ist fein und lose
Und so verschlungen wie ein Mädchenhaar,
Und manchmal neigst Du Dich wie eine Rose,
Die leuchtend und voll Sommerabend war.

Und was Du rührst wird tönend und voll Leben.
Bist Du ein Traum, ein Märchen, ein Gedicht?
Du schöne Frau - Dir ist ein Glanz gegeben
Oder ein Rausch - ich weiß es nicht.

VII.

Leg Deinen Kopf nur leise
In meine kühle Hand,
Und nach alter Weise
Träumen wir ins Land.

Wer von uns kennt das Leben!
Man übersieht es kaum.
Man glaubt es ist sein Leben,
Und ist doch nur ein Traum.

Traum und Vorüberfliehen -
Wer weiß, was kommen mag!
Glanz und Glück verblühen
Wie ein Sommertag.

Aus: Walter Hasenclever Sämtliche Werke; In Zusammenarbeit mit der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, herausgegeben von Dieter Breuer und Bernd Witte, Band 1 (Lyrik Bearbeitet von Annelie Zurhelle und Christoph Brauer), v. Hase & Koehler Verlag Mainz 1994

Walter Hasenclever, geboren am 8. Juli 1890 in Aachen, gestorben am 21. Juni 1940 in Les Milles bei Aix-en-Provence, expressionistischer Schriftsteller. 1910 erschien sein erster Gedichtband Städte, Nächte und Menschen. 1914 gelang ihm mit dem Stück „Der Sohn“ das erste große Werk des expressionistischen Dramas.

Seine Kriegsbegeisterung, die ihn zur freiwilligen Meldung zum Kriegsdienst bewog, wandelte sich bald in eine Ablehnung des Krieges. Er simulierte ein psychisches Leiden und wurde daraufhin 1917 aus dem Kriegsdienst entlassen.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden seine Werke verboten und nach der Bücherverbrennung aus den Bibliotheken entfernt. Hasenclever ging daraufhin ins Exil nach Nizza. 1934 heiratete er dort Edith Schäfer. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er als „feindlicher Ausländer“ in Frankreich zweimal (u. a. im Fort Carré in Antibes) interniert. Nach der Niederlage Frankreichs nahm er sich in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni 1940 im Internierungslager Les Milles bei Aix-en-Provence mit einer Überdosis Veronal das Leben, um nicht den Nazis in die Hände zu fallen. (Wiki)

Das Bild „Woman clothed with the sun“ ist von Alice Pike Barney (1857 - 1931)

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