Mittwoch, 25. Januar 2023

Arthur Sakheim: Amulett / Weiße Nächte / Im Juni / Freie Welt

 


Amulett

für Marion Carola Natalie, Prinzessin zu Pyrmont, gegen die Hitze, die Sehnsucht und den bösen Blick um ihren Hals zu tragen.

Vielleicht war alles nur ein buntes Klingen,
Ein Vogelruf im frischen Morgenlicht,
Die Seligkeit der seligen Syringen,
Ein Blütengarten oder ein Gedicht.

Mir träumte von den tiefen Wunderdingen,
Mir lächelte dein helles Angesicht. -
Für immer deine Liebe zu erringen,
Das große Zauberwerk gelang mir nicht.

Verständlich ist das alte Spiel und schändlich,
Die Litanei vom ewigen Vorbei: -
Ich will die Lust, die süße Tyrannei,
Ich will die Welt. Ich liebe dich unendlich.

Arthur Sakheim, aus: Die Aktion Nr. 27, 1913, Lyrische Anthologie

Weiße Nächte


Woher sie kommen und wohin sie gehen,
Bekränzt von amarantnen Azaleen,
Weiß niemand als die Nornen und die Feen.

Doch gibt es Mädchen — süß wie leise Lieder;
Das offne Haar fällt über zarte Glieder,
Und hütet sie, wie himmlisches Gefieder.

Und sind so herb, wie diese weißen Nächte,
Wie tiefes Licht vom Glanz der Liebesmächte;
Großäugig, aus verwunschenem Geschlechte.

Beglückend ist und bitter solche Spende.
Am Horizonte zucken müde Brände.
Dann ist es wieder dunkel, ohne Ende.

Arthur Sakheim, aus: Magnificat Gedichte Verlag von Carl Reissner, Dresden, 1912

Im Juni


Der Juni blüht wieder in Gottes Garten,
die Erde ist immer noch muttergut;
der Sommer, dem wir entgegenharrten,
so liebevoll ist ihm zumut.

Ich wurde müde in bösen Jahren;
da kam ein gütiger Wundertag,
und meinem Glauben offenbaren
sich Mädchenmilde und Rosenhag.

Der Sommer kommt aus himmlischen Reichen. —
Der liebe Herrgott ist kein Despot:
Er will die Klarheit, er gibt ein Zeichen! —
Er lächelt Eden, er ist nicht tot.

Die Sonne blüht wieder in Seinem Namen:
Vielleicht, und der Friede säumt nicht mehr lang ...
Die Krüppel und Lahmen danken dir »Amen«
vom Aufgang bis zum Niedergang

Freie Welt

Es kam das magische Entzücken,
und kam der wunderliche Ruf:
Ich baute mir die blauen Brücken
aus Klang und Flamme, die ich schuf.

Und draußen stürzen die Portale,
und draußen welken Glanz und Tanz. —
Ich kenne heilige Opale
und ein unsterbliches Byzanz.

Arthur Sakheim, aus: Patmos und Kythera Verlag Konrad Hanf, Hamburg, 1920

Arthur Sakheim, geboren am 27. Oktober 1889 in Libau; Schriftsteller, Journalist und Dramaturg. Im Sommer 1931 wurde er vom Intendanten des Schauspielhauses, selbst jüdischer Herkunft, wegen seines „undeutschen“ Spielplans fristlos entlassen. Er erkrankte im Sommerurlaub in Hiddensee an einer Blinddarmentzündung. Bald nach der Operation bekam er eine Lungenentzündung; er starb am 23. August 1931 in der Charié in Berlin.

Seine Witwe Anuta (geb. Plotkin; 1896 in Lodz) fand eine Anstellung beim Ullstein-Verlag; dort war sie tätig, bis das NS-Regime nach der Machtübernahme die Kündigung der jüdischen Angestellten bewirkte. Anuta und Sohn George (geboren am 12. Juni 1923 in Hamburg; gestorben am 5. Dezember 2019 in Lansdale, Pennsylvania) emigrierten nach Palästina; Anuta arbeitete dort als Taxifahrerin und Fremdenführerin. Sie erkrankte und nahm im April 1938 das Angebot ihrer Schwägerin, Arthurs Schwester, an, George aufzunehmen. Im September 1939 beging sie Suizid. George kam 1944 als Soldat mit der 104th Infantry Division zurück nach Deutschland. Seine Einheit kämpfte bei Aachen und Köln und befreite das KZ Nordhausen. Er arbeitete später bei den Nürnberger Prozessen als Dolmetscher. (Wiki)

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