Mittwoch, 25. Januar 2023

Emmy Hennings, Hugo Ball: Emmy an Hugo; Hugo an Emmy

 


An Emmy

Sag mir …
Sag mir, daß Du Dich im Föhnwind sehnst
Und daß Du trauern würdest,
Wenn ich ginge.
Sag mir, daß diese Tage schön sind
Und daß Du weinen wirst,
Wenn ich nicht singe …

Sag mir, daß Du dem Leben gut bist.
Sag meiner Stimme, daß sie nie verwehe …
Und daß Du heiter und voll frohen Mut bist
Auch wenn ich lange Zeit Dich nicht mehr sehe.

Sag mir, daß ich ein töricht Kind bin
Und streichle mich wie eine junge Meise.
Sag mir, daß ich zu Dir zurückfind',
Auch wenn die Nächte dunkel sind,
Durch die ich reise …

Hugo Ball

Emmy an Hugo

Ich bin das Kind mit suchendem Gesicht,
Das sich verlor in Deines Mantel Weiten.
Ich lächle Deines Wesens Dunkelheiten,
So eingehüllt in Dir sag ich vom Licht.

Ich bin die kleine Unscheinbare,
Die sich verirrt in Gassen fand,
Die sich verlor ins wunderbare,
In Dir, Du Lied der jungen Jahre,
Das stets in meiner Seele stand.

Laß ruhen mich in Harfendämmerungen
Und träumen Deinen schönsten Stern,
Und wenn das letzte Licht versungen,
Dann sterb ich gern …

Für Hugo (von Emmy)

Die Heiligen sind Sommernachmittage
Die Worte wehen weiche Flocken,
Das Schäfchen mit den Seidelocken
Ist schimmernd helle, fromme Sage.

Verstand ich doch – oh, süß Vertrauen,
– Da menschliches mich nicht verstand -
Hindurchgeliebt durch jede Wand,
Durch jeden Schleier deinen Grund zu schauen.

Oh, du Genosse der Verwunschenheit,
Komm zu mir in den fernsten Traum.
Sieh, uns umblüht der Märchenbaum,
Die Blume aus der Ewigkeit …

Sonette von Hugo

I

Dreimal gepriesen sei mit tiefem Neigen
Dein Tag, o Herr, der mich in Zärtlichkeit
So ganz gehüllt hat und so eingeschneit,
Daß ich die Stille suche, um zu schweigen.

Es gab die lieblichste der Engelsgeigen
Mir bis ins Nachtgelände das Geleit.
Zum Tränenhimmel Deiner Seligkeit
Sah ich die weißen Prozessionen steigen.

Im Dreischritt aus den grünen Grüften hoben
Sich Füße, die vom Rebensaft gerötet
Es schimmerte das Herz, das sie getötet.

Und das sie nun mit Blütenzweigen loben
Um schwarzer Tyrus-Kreuze glomm das Feuer
Der Liebe und der wehen Abenteuer.

II

An lichtgewobener Kette muß ich hängen
Aus hohen Himmeln in das trübe Leben
Genötigt leise hin und her zu schweben,
Weil sanfte Ätherwellen mich bedrängen.

Man haucht mich an mit Worten und mit Klängen
Und schon will meine Flügelwage beben,
Um die Erschütterungen aufzuheben
Dreh ich mich in den ewigen Gesängen.

So sieht man wohl in frommen Kemenaten
Aus Watte und aus Werg an einem Faden
Die Geistestaube schweben im Geviert.

Sie lauschet über Kerzen und Gebeten
Den sieben Gaben und den scheuen Reden,
Dieweil ein Krönlein ihre Haube ziert.

III

(Orpheus)

Oh, königlicher Geist, dem aus den Grüften
Die Leoparden folgten und Delphine
Im Tiergeschlecht sahst Du die Menschenmiene
Gegrüßt von allen Brüdern in den Lüften.

Die Leier eingestemmt in junge Hüften
So standest Du umbrandet auf der Bühne.
Vom Tode trunken summte deine kühne,
Berauschte Stimme mit den Blumendüften.

Du kamst aus einer Welt, in der das Grauen
Die Marter überbot, da war dein Herz
Zerronnen erst und dann erstarrt zu Erz.

Durch jede Sehnsucht drang dein liebend Schauen
Es führten dich die Vögel und die Fische
Im Jubelchor zum höchsten Göttertische.

IV

Entrückt und nah, belebend und doch Schein
So seh ich, Liebste, Dich vor mir errichtet
Ein Umriß, der vor meinen Blicken flüchtet
Und dem es doch bestimmt ist, Bild zu sein.

Die Hände haben längst darauf verzichtet
Zu fassen nach Gestalt von Fleisch und Bein.
Genug zu wissen, daß Du Brot und Wein
Und zartes Feuer bist, das mich belichtet.

Die Augen werden einst in Moder fallen.
Was war ich ohne Dich? Ein irres Lallen
Ein Dunkel und ein Rausch der Bitternisse.

Laß wehen durch mein Wort die lichten Küsse,
Laß sinken in mein dämmerndes Gedicht
Vom Brunnenrande her Dein Angesicht.

V

Schmücke Dich, Liebste, der Abend naht,
Winde Dir Ketten ins leuchtende Haar.
Siehe, die Sonne will sich verneigen,
Tiefer noch will sich die Stille verschweigen,
Kerze brennt am Altar.

Wisse, die Seele liebt sich zu verschwenden
Brennende Feier und wehe Musik.
Leiser noch will ihr Geheimnis lallen,
Goldener Tropfen zögerndes Fallen
Ist ihr unsägliches Glück.

* * *

Hülle Dich, Liebste, in weiße Gewänder,
Ehe die Saite zerspringt.
Lächle im Saale der Engel und Rosen,
Laß Dir die kindliche Stirne kosen,
Ehe das Echo verklingt.

Sei mir ein Fest und ein zärtliches Wunder,
Milder noch blühe Dein Schein.
Wenn wir die magischen Worte tauschen,
Geht durch die Seele ein Flügelrauschen,
Dem wir uns weihn.

Schmücke Dich, Liebste, oh, süßes Verwehen,
Bald ist der Sommer verklungen.
Über den Hügeln welken die Kränze,
Doch in die Höhen der himmlischen Tänze
Sind wir entrückt und verschlungen …

Aus: Emmy Ball-Hennings: Hugo Ball - Sein Leben in Briefen und Gedichten; Mit einem Vorwort von Hermann Hesse; S. Fischer Verlag Berlin 1930

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