Nordischer Frühling
Noch liegt
an verschwiegenen Waldesstellen
längst gefallener Schnee,
wie eine glitzernde Decke
über den weißen,
wartenden Glöckchen.
In der Lichtung,
wo die Sonne
ihren Überfluß schenkt,
lächelt und lebt es
von Goldprimeln, tiefblauen Sternen,
und jungem, bebendem Grün.
- Und der Duft des Seidelbastes
berauscht dich
wie ein Becher Liebestrank.
Südlicher Frühling
Zu rasch und farbensatt kommt er,
als daß wir seine Luft
mit zitterndem Verliebtsein spürten.
Wenn nicht die Mandelbäumchen
rosige Zartheit
wie kindliche Küsse
in den blauen Himmel hauchten,
wir würden alles schwer
wie Sommer fühlen.
Kamelien leuchten tödlich rot
aus düster glänzendem Laub,
und in Gewinden feiern
Rosen und Glycinientrauben
tausendfache Feste.
An weißer Mauer baden sich
die grünen Eidechsen
in gleißenden Strahlen.
Sie sind der Sonne zierlichste Getreue.
Und wo du gehst,
raschelt es von Getier.
- Dann in des Haines Schatten ruhend
schließen sich die sonnenmüden Lider.
Und um dich wogt
ein ewig wiederkehrendes Tönen,
von Mückensang und Blumenatmen.
Das hüllt dich ein
und trägt dich fort
auf seidigen Schwingen
in das Reich der wandellosen Schönheit.
Franzisca Stoecklin, aus: Die singende Muschel, 1. Auflage 1925
Franziska Stoecklin, Lyrikerin, Erzählerin, Malerin, wurde am 11. 9. 1894 in Basel geboren und starb am 1.9.1931 ebendort.
Noch liegt
an verschwiegenen Waldesstellen
längst gefallener Schnee,
wie eine glitzernde Decke
über den weißen,
wartenden Glöckchen.
In der Lichtung,
wo die Sonne
ihren Überfluß schenkt,
lächelt und lebt es
von Goldprimeln, tiefblauen Sternen,
und jungem, bebendem Grün.
- Und der Duft des Seidelbastes
berauscht dich
wie ein Becher Liebestrank.
Südlicher Frühling
Zu rasch und farbensatt kommt er,
als daß wir seine Luft
mit zitterndem Verliebtsein spürten.
Wenn nicht die Mandelbäumchen
rosige Zartheit
wie kindliche Küsse
in den blauen Himmel hauchten,
wir würden alles schwer
wie Sommer fühlen.
Kamelien leuchten tödlich rot
aus düster glänzendem Laub,
und in Gewinden feiern
Rosen und Glycinientrauben
tausendfache Feste.
An weißer Mauer baden sich
die grünen Eidechsen
in gleißenden Strahlen.
Sie sind der Sonne zierlichste Getreue.
Und wo du gehst,
raschelt es von Getier.
- Dann in des Haines Schatten ruhend
schließen sich die sonnenmüden Lider.
Und um dich wogt
ein ewig wiederkehrendes Tönen,
von Mückensang und Blumenatmen.
Das hüllt dich ein
und trägt dich fort
auf seidigen Schwingen
in das Reich der wandellosen Schönheit.
Franzisca Stoecklin, aus: Die singende Muschel, 1. Auflage 1925
Franziska Stoecklin, Lyrikerin, Erzählerin, Malerin, wurde am 11. 9. 1894 in Basel geboren und starb am 1.9.1931 ebendort.
Das Bild ist von Odilon Redon (1840 - 1916)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen