Pubertas
Ihr wißt nichts von uns
und kennt uns nicht,
wenn mit uns unsere Kindheit bricht
und wenn wir außer uns geraten.
Wie rote Fahnen glühn aus Dunkelheiten,
fühlen wir alle Schatten von uns gleiten
und wissen uns verraten.
Und unser zittriges Denken
wagt sich hervor aus grauem Ödsein
- sehenden Auges fallen die Stunden
aus der Ewigkeit in den gläsernen Mund der Zeit.
Müde Geigen, liegen wir des Nachts in Betten,
bang und vor Lust verstört,
rufen euch, uns zu befreien aus den Ketten
- niemand hört.
Und nur der Mondschein glittert hinter Fenstern,
zu mehren unser Zweifeln,
aufpeitscht er Sinnlichkeiten -
aus jedem Dunkel schrecken sie uns an.
Weit offene Augen suchen zu begreifen,
was uns Erwachen gibt an Rätseln und an Wahn.
Bleich und verfallen die Wangen,
Nebel die Augen umhangen,
um Kinderlippen sprechende Falten
- niemand von euch unser Zweifeln nahm.
Ihr krochet zurück in eure Häuser,
oder schluget ein Kreuz
oder spracht einen Fluch
und tranket Karthäuser.
Und aber hießet ihr gehen -
wir müssen unsere brennenden Herzen weitertragen,
in dunkle Tage,
in helle Gebrechen,
und dürfen nicht wagen
die Brände zu löschen,
aus denen neue Qualen
wie Blitze brechen.
Und unsere Hände fahren farblos fahl
an schleimige Wände, den Ekel entlang.
Wir staunen allen Frauen ins Gesicht,
suchen, erbitten des Schweigens Lösung.
Wir wissen unsere Zweiheit.
- Doch vor allen Rätseln und Raten
kommen wir nie zu Taten.
Nur Hohn trifft uns,
und so zerfallen wir an uns.
Wir fühlen uns uns selbst entgleiten -
wir blicken fremd ins eigene Gesicht.
Und unser Lachen steht -
wenn sich die Dirne uns um Dirnenlohn verspricht
und uns herniederzieht zu ihren Niedrigkeiten.
Dann sind wir Männer -
dann sind wir erwachsen - -
Von allen Süßigkeiten
bleibt nichts als ein schales Erinnern.
Manchmal,
still und verhalten
eine flehende Stimme - -
Kurt Striepe, aus: Die Aktion, 13. Juni 1914
„Nun liegt er hingebreitet auf der grünen Erde. Ich streichle Deine blonden Haare. Du junger, junger Mensch, der Du zu Gott Dich aufrankst. Du Gläubiger in Kunst. Schon blühte sie aus Deiner Brust. Weich leg ich meine Hand auf Deine Knabenstirn. Im Himmel aller Kunst wird Deine zarte Blume leuchten. Im Kinderland der Gläubigen wird man sie lieben. Und wenn Du fielst, noch steh ich. Neben Dir. Ein Stern zerspringt. Ich leuchte seinem Glänze.“
Herwarth Walden zum Tod "im Feld" von Kurt Striepe, aus: Der Sturm, 15. Mai 1918
Ich
Ich will ganz weiß durch Sommergärten gehen,
Augen siegen mir Tod und Nacht.
In meinen Händen glühen sanfte Lichte.
Ich will ganz sanft zu Deiner Seele gehen,
Hände halten liebend Dir Versprechen
In meinem Herzen wehe ein flammer Wunsch.
Ich will in Deinen Händen sonnenglüher Wald sein.
Ich will in Deinen Armen Bach durch Blumen sprudeln.
Ich bin ein helles Klingen unter Deinem Munde.
Kurt Striepe, aus: Der Sturm, 15. Mai 1918
Das Bild „Der träumende Knabe“ ist von Walter Gramatté (1897 - 1929)
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