Mittwoch, 25. Januar 2023

Camill Hoffmann: Der Gedanke an dich / Ich fühle, wie im Schreiten / Letztes Gedicht

 


Der Gedanke an dich

Der Gedanke an dich
Duftet im Zimmer,

Hingeschneit liegt sein Schimmer
Wie Lächeln überall.

Wie der freundliche Aufblick der Gottheit
Unter ewig blühenden Brauen
Hat er den Tag gestreift, den veilchenblauen.

Ich fühle, wie im Schreiten

Ich fühle, wie im Schreiten
Mich eine Hand berührt
Und weiß mich nun bei Zeiten
Gehalten und geführt.

Ich habe deinen leisen,
Geliebten Griff erkannt.
So fern du bist, umkreisen
Seither mich wie gebannt
Die lieblichsten Gedanken.
Verzaubert scheint die Zeit,
Mein Herz gerät ins Schwanken,
Ob nah du bist, ob weit.

Letztes Gedicht

Wie danke ich dafür,
daß Gott die Träume schuf!
Durch diese einzige Tür
kommst du, Geliebteste, zu mir

Was soll mir das Gedränge
des Tages und alle Pein,
Was soll mir noch die Enge
der Mauern im Exil?

Die Nacht, die Nacht allein
verheißt mir Sinn und Ziel
Du kommst, Geliebteste, zu mir
Durch diese leise Tür.

Heute nacht mein Herz vergaß
zu schlagen, du tratest ein
mit wunden Händen, blaß
vom langem Einsamsein

Geliebteste, mein Kind
Sieh wie wir elend sind.
Ich warf mich hin vor dir,
Beschämt von deinen Wunden,
Da warst du schon entschwunden
Durch die geheime Tür.

Camill Hoffmann wurde am 31. Oktober 1878 in Kolín, Böhmen geboren; im Oktober 1944 wurde er im KZ Auschwitz ermordet.

Aus: Camill Hoffmann - Zuflucht Späte Gedichte und Erzählungen. Mit einem Nachwort herausgegeben von Dieter Sudhoff, Vergessene Autoren der Moderne XLVIII Herausgegeben von Marcel Beyer und Karl Riha Universität-Gesamthochschule Siegen 1990

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