Genug, genug von Liebesspiel und Liebesziel,
Es gibt auch andre Dinge!
Geblendet von der Liebe Licht,
seh ich die andern Dinge nicht.
Es gibt auch andre Dinge?
Wir haben nicht gelernt zu schau´n,
wir armen, alten, jungen Frau´n,
Die andern, andern Dinge!
Ihr Männer nehmt es nicht genau,
ihr sagt: „Genug für eine Frau“,
Und sprecht von andern Dingen!
Lina Loos, aus: Einige billige Weisheiten, die mich viel gekostet haben; Neues Wiener Journal, 3. Juli 1919
Lina Loos, geborene Karoline Obertimpfler, (* 9. Oktober 1882 in Wien; † 6. Juni 1950 ebenda),Schriftstellerin und Schauspielerin, gehörte zur Wiener Kunst- und Kaffeehausliteratenszene. Peter Altenberg, Egon Friedell, Arthur Schnitzler, Franz Theodor Csokor, Franz Lehar, Oskar Kokoschka sind nur einige ihrer vielen Freunde, Bekannten und Verehrer. Am Peter-Altenberg-Stammtisch kommt es zur Begegnung mit dem Architekten Adolf Loos und zu seinem spontanen Heiratsantrag noch am selben Abend, den sie ebenso spontan akzeptiert. Die kaum Zwanzigjährige heiratet den um zwölf Jahre älteren Mann, doch die Ehe hält nur drei Jahre. Lina ist viel zu kreativ und selbständig, um ein Leben als Muse führen zu können.
Lina Loos tritt nach ihrer Trennung in Wien in Theatern, Kleinbühnen und Kabaretts auf. Gleichzeitig schreibt sie für verschiedene Zeitungen Feuilletons, Aphorismen und Theaterszenen. Sie besitzt viel Witz und Ironie, eine scharfe Beobachtungsgabe und absolute Authentizität. Wiener Charme durchzieht ihr Werk. Ihre schauspielerische Tätigkeit führt sie bis nach Berlin, ein halbes Jahr gastiert sie sogar in den USA. Doch ihr eigentlicher Lebensraum ist Wien mit seiner bewegten Kulturszene.
Nach Hitlers Machtergreifung verliert sie viele Freunde, Csokor emigriert, Friedell begeht Selbstmord. Aber auch innerhalb ihrer Familie kommt es zu tragischen Vorfällen. Ihre Schwester, die damals anerkannte Schriftstellerin Helene Dülberg, verschwindet 1908 spurlos, ihr Bruder, der Schauspieler Carl Forest fällt 1944 dem Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten zum Opfer.
In der NS-Zeit lebte sie zurückgezogen. Politischen Mut zeigt die 56jährige Lina Loos 1938, als in Wien die Synagogen brannten und die jüdischen Geschäfte geplündert wurden - sie begibt sich zu den Tatorten, folgt dem johlenden Troß und spricht an jedem Schauplatz immer wieder laut und vernehmlich die Worte: „Ich bin Zeugin!“
1947 erscheint Lina Loos' einzige Buchveröffentlichung zu Lebzeiten: »Das Buch ohne Titel«. Es ist eine Sammlung der bereits in Zeitungen publizierten Feuilletons und Erinnerungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg tritt Lina Loos dem »Österreichischen Friedensrat« bei und wird Vizepräsidentin des »Bundes demokratischer Frauen«.
Biografie Lina Loos: Sibylle Duda auf der Seite FemBio
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