Dienstag, 24. Januar 2023

Maria Lazar: Dem souveränen Lebenstrieb zulieb. . . / Still, weine du nicht. . .

 


Dem souveränen Lebenstrieb
zulieb
werd ich nicht gern
nun auch noch subaltern.

Zu betteln, daß vom reichen Tisch der Welt
ein Bröselchen für mich entfällt
sei mir erspart;
es ist nicht meine Art.

Gegeben ist mir doch, daß ich entscheide,
wie lang ich leide.
Noch steh ich selber für mich allein,
noch kann ich selber sagen: nein!

Maria Lazar, Pseudonym Esther Grenen, geboren am 22. November 1895 in Wien, Österreich-Ungarn; gestorben am 30. März 1948 in Stockholm war eine österreichische Schriftstellerin.

Im Sommer 1933 einer Einladung der Schriftstellerin Karin Michaëlis und ging ins Exil auf die dänische Insel Thurø, Zusammen mit Bertolt Brecht und Helene Weigel. Während der Jahre ihres Exils schrieb Lazar zahlreiche Beiträge für skandinavische und Schweizer Zeitungen und lebte unter anderem von Übersetzungen literarischer Werke aus dem Dänischen und Schwedischen ins Deutsche. 1939 zog sie, durch die Heirat mit Strindberg schwedische Staatsbürgerin geworden, mit ihrer Tochter Judith Lazar nach Schweden. Nachdem bei ihr eine unheilbare Knochenkrankheit diagnostiziert worden war, beendete sie am 30. März 1948 in Stockholm ihr Leben durch Suizid.


Es liegt eine Leiche,
eine junge Soldatenleiche,
im kalten Schnee,
die Hand, die bleiche,
ans Herz gepreßt,
so weh,
so fest,
und die Augen, die Liebe und Leben gesprochen,
starr und gebrochen.
Ringsum das Blut.
Fern Feuersglanz,
da trinken die Kameraden sich Mut,
und einer spielt einen Tanz.
Und hier - kein Erwachen.

Still, weine du nicht, noch gibt es Menschen, die lachen.

O weine du nicht.
Es kommt die Zeit
voll Sommerfrieden,
wo weit und breit
das junge Gras aus der Erde bricht,
und Haß und Eis sind geschieden.
Und die Sonne so helle,
so glückeshelle,
so frühlingslind.
Da weint ein Kind
an eben der Stelle,
wo einst gelegen der junge Soldat,
weil es die Puppe zerbrochen hat.
Wie kann nur die Sonne so überlicht
und so golden scheinen –

Still, jauchze du nicht, noch gibt es Menschen, die weinen.

Maria Lazar, 1915, aus: Auguste Lazar (ihre Schwester), Arabesken - Aufzeichnungen aus bewegter Zeit, Dietz 1959 

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