Der Wanderer
Wenn unter uns ein Wandrer ist -
dem schrieben es die Sterne in die Seele,
der hat es in den Augen tief geprägt:
Weil ich ein Wandrer bin.
So leise schauert die Johannisnacht,
Glühwürmchen streichen.
Das hat der Mond sich ausgedacht,
wenn so die Schleier weichen,
da hat der Mond den Vorhang weggerückt
mit seinen lichten Fingern, was sich schmiegt und biegt
das alles hat der Mond entdeckt.
Es geht ein Lied vom Sommerhauch getragen,
ein Lied aus fernen Fernen geht umher.
Hörst du die Blumen fragen?
Sie kennen ihn nicht mehr.
Es ist der Wandrer. –
Schlaf, Süßchen, alle Sterne schlafen
und weben ihre Schleier um dein Haupt
und Sommerfäden um die Seele dir.
So leise schauert die Johannisnacht
ob Reif und Eis -
Wenn unter uns ein Wandrer ist.
Victor Hadwiger (1878 - 1911), aus: Wenn unter uns ein Wandrer ist. Ausgewählte Gedichte aus dem Nachlass. Hrsg. von Anselm Ruest. Alfred Richard Meyer, Berlin-Wilmersdorf 1912.
Das Bild ist von der Malerin Dora Bromberger, geboren am 16. Juni 1881 in Bremen; ermordet am 28. Juli 1942 im Vernichtungslager Maly Trostinez bei Minsk.
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