Erfüllte Sehnsucht
Die Nacht wird farblos und der Schatten schweigt
Still Herz, sag niemand dass der Morgen steigt
Ein Flimmern rings als wogte dort ein See
Sacht fließen Düfte wie von zartem Weh
Ich will mich bergen dass mich nichts errät
Dass nur der Wind in meine Stille weht
Dass nur der Regen an mein Fenster rinnt
Drin all die Seufzer meine Schwestern sind.
* * *
Der Tannen Grün in Falten schwerer Samt
Vor dumpfem Trüben, das die Wolke legt
Der Bäume Schwarz ist hart und unbewegt
Von keinem Schatten ist der Weg verrammt
Nur manchmal dass die Wolke jäh sich schlitzt
Ein Schein der Perlen an den Zweigen blitzt
Des Mannes Schatten der den Karrn bewegt
Ein Klöppel langsam auf und niederschlägt.
* * *
Es steigt der Tag, aus wirrem Traum, befreit,
Zu schlanker Zier, gleich angeschlagnem Ton
Der sich erhält, dem Ohr verloren schon,
Und lehnt uns süß in bunte Helligkeit,
Indes wir trauern um der Nächte Tod
Wo zwischen Bäumen in verglastem Strahl
Die Stadt, gekrönte, Funken sonder Zahl
Und flammender Basteien Gipfel bot.
Wir schlafen lang ins tiefe Abendrot
Und gehen aus, bis in die kühlste Flut
Der Leib versinkt und nun getröstet ruht
In leichter Wellen mildem Spiel und Tod.
Friedrich Christoph Heinle, aus dem Nachlass von Walter Benjamin
Friedrich Christoph Heinle wurde 1894 in Mayen in der Eifel geboren und starb am 8 August 1914 in Berlin. Er studierte Philologie in Göttingen und in Freiburg im Breisgau, wo er im Sommer 1913 Walter Benjamin kennenlernte.
Beide arbeiteten für den Anfang, die Zeitschrift der Jugendbewegung um den Reformpädagogen Gustav Wyneken, und gingen zum Wintersemester 1913/14 nach Berlin. Wie schon in Freiburg, so betätigten sie sich auch hier in der Freien Studentenschaft, einem linken Flügel der Jugendbewegung. Gemeinsam bestritten sie am 1.11.1913 einen Auftritt der linksalternativen Zeitschrift Die Aktion, die zwei Jahre zuvor von Franz Pfemfert gegründet worden war und sich rasch zum Sammelbecken von Aktivisten links von der SPD entwickelte hatte.
Acht Tage nach Beginn des Ersten Weltkrieges wählten Friedrich Heinle und seine Lebensgefährtin Friederike Seligson den Freitod. Benjamin hütete Heinles literarischen Nachlass, musste ihn jedoch vor seiner Flucht vor den Nationalsozialisten in Berlin zurücklassen. Auf der Flucht wählte auch er den Freitod.
Franz Pfemfert gelang die Flucht nach Mexiko. Nach der Befreiung kümmerte sich ein weiterer Emigrant, der in Jerusalem lebende Literaturwissenschaftler Werner Kraft, um Heinles Erbe. Noch immer fehlt eine Edition der Werke und Briefe des Dichters.
Das Bild ist von Mikalojus Konstantinas Iurlionis (1875 - 1911)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen