Dienstag, 24. Januar 2023

Paul Leppin: Feier / Else Lasker-Schüler: Der alte Tempel in Prag / Otto Pick: Paul Leppin

 


Feier

Im Garten meiner Seele
Da ist es wunderbar,
Da gehn meine weißen Träume
Mit Chrysanthemen im Haar.

Im Garten meiner Seele
Da singen sie märchentief
Von der großen Sehnsucht der Liebe,
Die jahrelang in mir schlief.

Und leise wandelt der Abend
Wie eine verwunschene Frau
Mit großen, verträumten Augen -
Die Fernen leuchten blau. -

Durch's stille Land geht leise
Die Liebe und winkt mit der Hand,
Sie trägt einen goldenen Gürtel
Wie flammenden Sonnenbrand. -

In mir ist ein heiliges Singen,
Es tönt tief wundersam
Von der großen Sehnsucht der Seele,
Von der Liebe, die endlich kam. -

Paul Leppin (Geboren am 27. 11. 1878 in Prag, gestorben ebenda am 10. 4. 1945), aus: Glocken die im Dunkeln rufen Gedichte, Schafstein & Co. Verlag in Köln 1903

Paul Leppin entstammte ärmlichen Verhältnissen. Zwar besuchte er das Gymnasium bis zur Matura, war danach jedoch gezwungen, eine Stelle bei der Prager Post- und Telegrafendirektion anzunehmen. Er war bis zu seiner vorzeitigen Pensionierung im Jahre 1928 als Beamter tätig. Neben dieser bürgerlichen Existenz begann er früh mit dem Schreiben. Um die Jahrhundertwende galt Leppin, der u. a. mit Victor Hadwiger, Gustav Meyrink, Richard Dehmel und Else Lasker-Schüler befreundet war, als einer der Protagonisten der literarischen Bewegung „Jung-Prag“ und pflegte auch enge Beziehungen zu tschechischen Autoren. Nach dem deutschen Einmarsch in die Tschechoslowakei im Jahre 1939 wurde er von der Gestapo verhaftet und erlitt nach der Freilassung einen Schlaganfall. (Wiki)

Der alte Tempel in Prag

(Paul Leppin, dem Dichter, gewidmet.)

Tausend Jahre zählt der alte Tempel schon in Prag,
Staubfällig und ergraut ist längst sein Ruhetag,
Und die alten Väter schlossen seine Gitter.

Ihre Söhne ziehen nun in die Schlacht.
Der zerborstene Synagogenstern erwacht
Und er segnet seine jungen Judenritter.

Wie ein Glückstern über Böhmens Judenstadt,
Ganz aus Gold wie nur der Himmel Sterne hat:
Hinter seinem Glanze beten wieder Mütter.

Else Lasker-Schüler (1869 - 1945)

Paul Leppin

Einsam, hager, vorgebeugt
Geht der Dichter durch die Straßen
Seiner Stadt, die sonder Maßen
Von der Macht der Träume zeugt.

Träumer sehn sie unberührt,
Ahnung überlebt das Neue,
Dieses Dichters Traumestreue
Ward vom Wandel nicht verführt.

Troubadour des alten Prag,
Das wir fürder lieben sollen,
Preist er aus dem übervollen
Sehnsuchtsherzen Traum und Tag.

Otto Pick (1887 - 1940)

Paul Leppin, der Leidende, auch physisch von einer in jener Zeit unheilbaren Krankheit Verzehrte, der von Grund aus Unheimliche, hatte doch auch eine gesellige Seite in seiner Natur, etwas geheimnisvoll Clowneskes, ja Koboldhaftes. Wie Wedekind spielte er die Laute und sang dazu die von ihm selbst gedichteten, boshaften und gar nicht salonfähigen Bänkellieder. Im Kreis des „Vereins bildender Künstler” blieb keiner verschont. [...] Ich sehe Leppin noch, süffisant lächelnd, im Lehnstuhl sitzen, das bebänderte Instrument vor sich. Ich höre seine heisere Stimme, die fast tonlos war - ein zerbrochener Scherben.

Max Brod (1884 - 1968), in Prager Kreis, 1966

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