Dienstag, 24. Januar 2023

Gustav Hochstetter: Gesellschaft

 


Gesellschaft

Diner im feinsten Westen,
Viel Diamanten-Glanz,
Es nippten vom Schönsten und Besten
Die Lippen der Haute-Finanz.

Satt strahlte aus allen Mienen
Die runde Zufriedenheit –
Und mitten zwischen ihnen
Saß meine Wenigkeit.

Ich hatte der Dame des Hauses
Mein kleines Buch dediziert,
Drin ich viel Wirres und Krauses
Zusammenfabuliert.

„Ach bitte lesen, lesen!"
Bat man mich nach dem Dessert.
Ich machte ein wenig Wesen,
Dann nahm ich das Büchlein her.

Ich las, man war begeistert,
Ein zweites, ein drittes Gedicht,
Dann hab’ ich mich bemeistert:
„Meine Damen, genug! mehr nicht!“

Des freundlichen Hausherrn bejahrte
Rundliche Schwiegermama,
Die einst an Mitgift nicht sparte,
Sass tief ergriffen da.

Was ich gelesen, gedichtet,
Das rührte auch sie, wie mir schien.
Zum Danke hält sie sich verpflichtet,
Mich ins Gespräch zu ziehn.

Sie naht mir, erregt sich fächelnd,
– O Macht der Poesie! –
Und fragt mich, verständnisvoll lächelnd:
„Was für ein Geschäft haben Sie?"

Gustav Hochstetter (geboren 12. Mai 1873 in Mannheim; gestorben 26. Juli 1944 im Ghetto Theresienstadt)

Zusammen mit Alexander Moszkowski war er von 1903 bis 1923 Redakteur der Lustigen Blätter in Berlin und verfasste humoristische Kolumnen und Verse, die häufig in illustrierten Fassungen (u. a. von Walter Trier) und in hoher Auflage erschienen. Wegen seiner jüdischer Herkunft wurde er 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert, wo er am 26. Juli 1944 starb. (Wiki)

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